1.3 Gesundheitsbildung

Gesundheitsbildung unterscheidet sich von der Gesundheitserziehung vor allen Dingen durch die Aspekte der Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung. [1]

Das Wort Bildung wurde um 1800 von Humbold  in die pädagogische Fachsprache eingeführt. Im Sinne der humanistischen Bildung ist ein Mensch gebildet , wenn er seine Triebe beherrscht, sich frei entscheiden kann, also über sich selbst verfügen kann, und ihm die Erfahrung über die Grundverhältnisse in der Welt eigen ist, wenn er Beziehungen herstellen kann Teile zu einem Ganzen zusammenfügen kann, über grundsätzliche Fragen, wie über Sinn und Zweck des Lebens, über den Tod, das Transzendentale nachdenken kann. [2]

Der Mensch muß erstmal bereit sein, seine Fremdbestimmung wahrzunehmen und sich bewußt und reflekziv damit auseinanderzusetzen, um die verschütteten Selbstgestaltungskräfte in sich wieder frei setzen zu können.

Fremdbestimmung fand allerdings nicht nur im Bereich des Gesundheitswesens statt, sondern auch in der Politik und ist in allen gesellschaftlichen Beziehungen zu finden. Erziehung durch Belohnung und Strafe, Erziehung durch Aufforderung zu Nachahmung und Modelllernen erzeugte auf Dauer ein System der Angst , Furcht, Agressionsunterdrückung und Konfliktscheu.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht im systemisch-konstruktivistischen Sinne davon aus, daß der Mensch verflochten ist in seiner sozialen, materiellen, kulturellen und gesellschaftlichen Umwelt. Er begegnet keiner starren Umwelt, sondern die Umwelt steht in Wechselwirkung zum Menschen und dieser kann sie aktiv handelnd verändern. Allerdings sind bei jedem Menschen die Grundbedingungen unterschiedlich und daraus folgernd seine Handlungsressourcen. Diese sind abhängig davon in welchem biographischen Kontext er seine Welt mit Deutungen und Symboliken belegt. Nach Auffassung der WHO spielt dies eine zentrale Rolle bei der Herausbildung von Gesundheit.

Die Gesundheitsbildung umfaßt ein breites Spektrum gesunden Lebens. Sie dient der Gesundheitsförderung und entspricht der primären Prävention. Die Ottawa-Charta (1986) definiert dies wie folgt:

„Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozeß, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. In diesem Sinne ist die Gesundheit als wesentlicher Bestandteil des alltäglichen Lebens zu verstehen und nicht als vorrangiges Lebensziel. Gesundheit steht für ein positives Konzept, das in gleicher Weise die Bedeutung sozialer und individueller Ressourcen für die Gesundheit betont wie die körperlichen Fähigkeiten. Die Verantwortung für die Gesundheitsförderung liegt deshalb nicht nur bei dem Gesundheitssektor, sondern zielt über die Entwicklung gesünderer Lebensweisen hinaus auf die Förderung von umfassenden Wohlbefinden hin.“

Unter persönlichen Ressourcen versteht man bestimmte Persönlichkeitsmerkmale , die dem einzelnen zur Verfügung stehen und ihm helfen schwierige Situationen zu bestehen und / oder Krankheit zu bewältigen.Dazu gehören zum Beispiel ein gesundes Selbstwertgefühl, oder es sind Eigenschaften und Haltungen, die , die eine lebensfördernde Wirkung haben wie Mut, Glaube, Kreativität, Flexibilität usw. Diese persönlichen Ressourcen oder Wirkkräfte können wie folgt unterteilt werden und sind aus dem Krankenpflegebuch von Liliane Juchli entnommen :

Kognitive Kräfte sind einerseits die Verstandeskräfte: Bewußtsein , Intelligenz, Wahrnehmung, Denken, Gedächnis und anderseits die Kräfte der Vernunft: Einsicht, Besonnenheit, Sinn für Ordnung. Das Gesamt der kognitiven Kräfte dient dem Erkennen, Denken und Urteilen. Es sind dies Fähigkeiten , die dem Menschen helfen, sich zweckmäßig und einsichtig zu verhalten. Sie sind nicht nur der Gesundheit dienlich, ohne sie ist auch keine Krankheitsbewältigung möglich.

Gemütskräfte: Sie umfassen die Gesamtheit der Grundstimmungen. Antriebserlebnisse und des inneren Lebensgefühls. In diesen Kräften gründet die Fähigkeit des Menschen zur Anteilnahme und zum Erleben (Erlebniswelt) Es sind dies die Kräfte der Innerlichkeit: das herzliche Lachen, das Vertrauen und die Hoffnung, die dem kindlichen Gemüt entwachsen.

Schöpferische Kräfte. Sie sind eng verbunden mit den musischen Fähigkeiten, jenen lebensfördernden Impulsen, die dem Spiel innewohnen, der Freude am Schönen, an Literatur und Kunst, an der Naturbetrachtung, überhaupt der Freude am Sein und am Sinnenhaften: am Musizieren, Tanzen, Singen, Gestalten . Zu den schöpferischen Kräften gehören auch die

Kräfte der Tiefe, die Bilder der Seele, die Welt der Träume, das Potential der Künstler. Es kann uns ein Licht aufgehen, es können Energien freigesetzt werden oder bis dahin unbewußte Kräfte in den Dienst des Gesundbleibens oder der Heilung genommen werden.

 Transzendente Kräfte, wie die Wirkkraft des Glaubens, des Gebets und der Gnade, im letzten der Seins- und der Gotteserfahrung. Man kann sie nur spüren und nie wissen ob man mit ihnen in Verbindung ist.

Ressourcen der Mit-und Umwelt sind, z. B. soziale Ressourcen wie die Beziehung zu den Mitmenschen, das Eingebettetsein in die soziale Umgebung. Es sind aber auch materielle Unterstützungsmöglichkeiten, die durch andere Menschen oder soziale Institutionen ermöglicht werden.

Ökologische Ressourcen sind Wirkkräfte aus der Umwelt des Menschen, sowohl der natürlichen (Boden, Wasser,Luft usw.) wie der technischen (Infrastruktur und Wohnraum) [1]

Untersuchungen haben gezeigt, daß isolierte und vereinsamte  Menschen gesundheitlich gefährdeter sind als sozial eingebundene.

Gesundheit definiert sich je nach Alter, Geschlecht, Status, sozialer Position, Beruf und kultureller Herkunft sehr unterschiedlich. In den unteren sozialen Schichten finden sich eher funktionale und negative Definitionen von Gesundheit. Gesundheit wird hier meist als Abwesenheit von Krankheit definiert. In den mittleren und höheren Schichten gibt es eher positive und psychologisch geprägte Verständnisse.

Ein Mensch kann eine Krankheit haben und sich gesund fühlen oder gesund sein und sich krank fühlen. Das hat damit zu tuen wie er seinen Umwelt deutet und konstruiert.

Das salutogenese Modell von Antonovsky https://www.wellabe.de/magazine/salutogenese geht in seinem Modell von der Frage aus, wie es möglich ist, daß Menschen trotz schwieriger Bedingungen gesund bleiben und andere weniger  schwierige Bedingungen haben und krank werden. Einmal müssen dabei endogene Stressfaktoren (wie z. B. erbliche Disposition) und exogene Faktoren wie Umwelteinflüsse, soziales Umfeld, gesellschaftliche Bedingungen usw. berücksichtigt werden. Der wichtigste Kern seiner Theorie besagt und damit komme ich auf die von Juchli beschriebenen Ressourcen zurück , daß wenn der Mensch Schutzfaktoren hat und zwar > ein generalisiertes Gefühl des Vertrauens besitzt, daß die innere und äußere Welt vorhersehbar ist und das mit großer Wahrscheinlichkeit die Dinge sich so entwickeln werden, wie man es vernünftigerweise erwarten kann. [2]

Im Rahmen der feministischen Diskussionen um Gesundheit und Krankheit spricht Barbara Duden[3] von einem pathologischen Gesundheitswahn, der gerade in der Nachkriegszeit durch die WHO-Definition, daß sich Gesundheit durch Abwesenheit von Krankheit definiert, in Gang gesetzt wurde. Sie sagt, es findet eine weibliche Entkörperung durch die vielen Vorsorgeuntersuchungen statt. Sie macht dies am Beispiel von Brustkrebsuntersuchungen, der Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft und der prophylaktischen Hormonbehandlung der Osteoporose in den Wechseljahren fest. Der Glaube an die Apparatemedizin wird fermentiert und das Selbstvertrauen und die Selbstwahrnehmung wird untergraben. Zusätzlich wird mit wissenschaftlichen Statistiken Verunsicherung und Angst geschaffen. Es kann nicht gleichzeitig Eigenverantwortlichkeit gefordert werden, wenn weiterhin in alten Modellen der Gesundheitserziehung mit Angststatistiken geworben wird.

Seit dem Altertum wird der Frauenkörper als tendentiell krank betrachtet. Das hat sich in der modernen Gynäkologie nicht geändert, auch heute werden die Lebensphasen von Frauen wie Pubertät, Menarche, Schwangerschaft, Geburt, Kinderlosigkeit und Wechseljahre tendenziell als Krankheit definiert und behandelt.

Im Gegensatz zu Männern befinden sich die meisten Mädchen und Frauen ab der Pubertät bis ins hohe Alter in medizinischer und insbesondere in gynäkologischer Behandlung. Dort wird für die Frau, wie ich bereits in dem ersten Kapitel erläutert habe die meiste Verunsicherung geschaffen. Die Gynäkologie arbeitet mit einer Definition von Krankheit, die von der Meßbarkeit eines Symtoms ausgeht. Beschwerden werden auf eindeutige Ursachen zurückgeführt und gemessen. Krankheiten werden auf der rein körperlichen Ebene betrachtet. Die eigene Wahrnehmung der Frau wird als nicht real und als Einbildung abgetan. Gerade das eigene Wissen und die Selbstwahrnehmung sind Wegweiser für Diagnose und Heilung und das Potential für die Entwicklung von Selbstheilungskräften. Da die Gynäkologie jedoch nur das anerkennt, was meßbar ist, werden die Frauen entmündigt und verlieren ihre Fähigkeit ihre eigene Expertin zu sein.Die Verantwortung und das Wohlbefinden wird wieder zu SpezialistInnen abgegeben und es kommt oft zu falschen und sehr schädlichen Behandlungen und Eingriffen.[1]

[1] Beate Blättner: Gesundheit läßt sich nicht lehren , Verlag Julius Klinkhardt / Bad Heilbrunn 1998

[2] Josef a. Keller / Felix Novak : Kleines pädagogisches Wörterbuch; Herder Spektrum  1993 Freiburg im Breisgau

[1  Liliane Juchli: Pflege 7. Aufl. 1994 Georg Thieme Verlag Stuttgart/New York S. 43-45

[1] Rita Götze: 20 Jahre Frauengesundheitszentren- 20 Jahre feministische Arbeit S. 159-160 Aufsatz in ebenda Köln 1998

 

 

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