von Monika Dia-Schübel
Körperarbeit ist mehr als eine Therapieform. Sie ist entscheidender Bestandteil einer therapeutischen Methode und der Schlüssel zum Verständnis unseres Selbst und unseres Entwicklungsprozesses. Wir sind unser Körper. Jede Veränderung unserer Persönlichkeit spiegelt sich im körperlichen Bereich wider und muß in unseren Muskeln, unserer Körperhaltung und unseren leiblichen Gewohnheiten ihren Niederschlag finden , wenn sie Bestand haben soll.
Capra definiert dies wie folgt: „ Körperarbeit-Therapie beruht auf dem Glauben, daß all unsere Aktivitäten, Gedanken und Gefühle im physischen Organismus reflektiert werden, sich in unserer Haltung und unseren Bewegungen manifestieren, in Spannungen und vielen anderen Anzeichen unserer >Körpersprache<. Der Körper als Ganzes ist das Spiegelbild der Psyche, und wer ihn beeinflußt , verändert damit auch sie.“1
Diese Definition finden wir in den Ansätzen Wilhelm Reichs und auch Moshe Feldenkrais wieder sowie in der Betrachtungsweise der Körperarbeit mit Yoga. In allen diesen Ansätzen finden wir vor allen Dingen die grundlegende Rolle des Atems als Bindeglied zwischen den bewußten und unbewußten Ebenen des Geistes. Richtiges Atmen und verschiedene Atemtechniken als therapeutische Werkzeuge stehen daher im Osten und im Westen als wichtiges Werkzeug im Mittelpunkt vieler Schulen der Körperarbeit.
In der Erwachsenenbildung der zwanziger und frühen dreißiger Jahre hatten körperorientierte Verfahren bereits eine erhebliche Bedeutung für die Erwachsenenbildung, Gymnastik und Tanz waren dabei dominierende Inhalte. Einige westliche Verfahren der Körperarbeit und Psychotherapie wie Eutonie, Feldenkrais, Atemarbeit nach Middendorf, Gestaltarbeit und Reich´sche Körperarbeit haben zumindest einen Teil ihrer Wurzeln in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts in der Arbeit der Gymnastiklehrerin Elsa Gindler. 2
Elsa Gindler war bis vor wenigen Jahren fast unbekannt, obwohl sie als erste westliche Körpertherapeutin gelten kann, die Bewußtsein von Empfindungen mit Heilung von Krankheiten systematisch zusammenbrachte. Sie nannte ihr eigenes Tun >Arbeit am Menschen< , sah sich aber selbst nicht als Psychotherapeutin, obwohl sie einen großen Einfluß auf viele Psychotherapeuten hatte. Einige ihrer Schüler verließen in der Nazi-Zeit Deutschland und verbreiteten ihre Arbeit in Amerika. Sie selbst blieb in Berlin und sammelte Material für ihre Publikationen. Leider wurden diese Unterlagen nie veröffentlicht, weil sie bei einem Bombenangriff verbrannten. Die Gindler Arbeit soll demnach nur über ihre Schüler Verbreitung gefunden haben, wie Carola Speads, Charlotte Selver und Claire Fenichel. Auch Wilhelm Reich soll von Elsa Gindler beeinflußt worden sein.3
Aber auch Tänzerinnen wie Isadora Duncan oder Mary Wigman haben die heutigen körperorientierten Verfahren mitgeprägt. Während zuvor die Körperhaltungen eher millitärisch anmuteten, Bauch rein, Brust rein,Beine anheben, erweiterten sich die neuen Formen der Körperlichkeit durch Selbsterfahrung auf körperlicher, emotionaler und sozialer Ebene und vor allen Dingen einer Entwicklung zur Selbstbestimmung. Selbstbestimmung unf Fremdbestimmung standen dann in dieser Phase gesellschaftlicher Neuorientierung zwischen den rechten und linken politischen Strömungen nebeneinander. Mit den Änfängen des Nationalsozialismus fand die Selbstbestimmung keinen Platz mehr und alles was der Körperlichkeit und Gesundheitsbildung diente, war nunmehr eine Vorbereitung auf den Krieg.4
Mit der Befreiung vom Nationalsozialismus lebten dann besonders in den sechziger Jahren die um die Jahrhundertwende aufgekommenen Therapieansätze wieder auf, die sich zumeist in den USA weiterentwickelt hatten, weil viele deutsche Forscher dorthin emigriert sind.
1 zit. Capra 1988; S. 387
2 Beate Blättner: Gesundheit läßt sich nicht lehren, Klinkhardt 1998 S. 21-22
3 Ruth Cohn/ Alfred Farau: Gelebte Geschichte der Psychotherapie , Klett-Cotta 1993 S. 560-561
4 Blättner 1998; S. 22-24