von Monika Dia-Schübel
Das häßlichste Schreckensbild unserer Zeit ist für die abendländliche Kultur und Medizin die Krankheit und der Tod. Krankheit gilt bei uns als etwas Schlechtes, ein von außen kommender Krankheitserreger, den man so schnell wie möglich wieder loswerden will. Jeder Schmerz und jede körperliche Veränderung macht uns Angst und viele Menschen laufen sofort zum Arzt und erflehen Medikamente.
Die Weltgesundheitsorganisation = WHO hat dieses Schreckensbild von Krankheit dadurch unterstützt, indem sie Krankheit als Abwesenheit von Gesundheit definierte.
Mit der neueren Definition der WHO von 1946 kam es dann zu einer ganzheitlichen Betrachtungsweise: „Gesundheit ist ein Zustand vollständigen körperlichen und geistiges Wohlbefindens und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit“, und sie fährt fort: „Der Genuss des höchsten erreichbaren Gesundheitszustandes ist eines der Grundrechte des Menschen, unabhängig der unterschiedlichen Völker, der Religion, der politischen Einstellung und ökonomischer und sozialer Bedingungen.
In asiatischen Gesellschaften und Stammeskulturen werden Krankheit und Leiden als ein Zustand der körperlichen psychischen Transformation angesehen. Schmerz und psychisches Leiden gelten als Mittel der Bewußtseinsveränderung, als Kräfte der Transformation und als Selbstheilungsmechanismen. Sind für viele traditionelle Kulturen der Tod und der Aufenthalt im Jenseits Erholung vom Leben und Regeneration, so ist für sie auch die Krankheit eine Form innerer Säuberung und Entschlackung von im Alltag aufgestauten schlechten Gewohnheiten und falscher Lebensführung.
Eine Erkrankung wird aus dieser Sicht nicht durch einen eindringenden Krankheitserreger verursacht, sondern durch eine ganze Kombination von Ursachen, die Disharmonie und inneres Ungleichgewicht auslösen. Doch strebt die Natur aller Dinge und auch der menschliche Organismus danach, immer wieder zu einem dynamischen Gleichgewichtszustand zurückzukehren. Aus dem Gleichgewicht zu geraten und wieder ins Gleichgewicht zurückzukommen, ist ein natürlicher Vorgang, der sich im ganzen Lebenszyklus ständig wiederholt. Daher zieht die asiatische Medizin auch keinen Trennungsstrich zwischen Gesundheit und Krankheit. Da eine Erkrankung im fortlaufenden Prozess des Lebens gelegentlich unvermeitlich ist, gilt perfekte Gesundheit auch nicht als höchstes Ziel des Patienten oder des Arztes. Die chinesische und auch ayurvedische Medizin strebt danach, die bestmögliche Anpassung an die Gesamtumwelt des Individuums zu erreichen. Dabei spielt der Patient eine wichtige und aktive Rolle. In der asiatischen Medizin ist der ideale Arzt ein Weiser, der das Zusammenwirken aller Strukturen des Universums erkennt, der jeden Patienten ganz individuell behandelt. Gesundheitsbildung ist hier als ein ganzheitlicher Prozess zu sehen, der von innen heraus entsteht, aus den Lebenskräften und Energien, die schon da sind und nur erweckt werden müssen.
Capra definiert Gesundheit zusammenfassend wie folgt:
– Gesundheit ist von Krankheit nicht scharf zu trennen
- Gesundheit ist ein Gleichgewicht der physischen, psychischen und spirituellen Natur des Menschen
- Gesundheit ist Harmonie des Menschen mit seiner Umwelt
- Gesundheit äußert sich in einer bestimmten Funktionsweise, die in vielfältiger Art umschrieben werden kann
- Gesundheit hat mit eigener Verantwortung zu tuen
- Gesundheit ist eine subjektive Erfahrung
- Gesundheitsverständnis ist kulturell geprägt
- Gesundheit ist Ausdruck der Flexibilität des lebendigen Systems „Mensch“
- Überwinden von Krankheit kann ein erhöhtes Maß von Gesundheit zur Folge haben (zit. Juchli 1994 S.38)
Um den Begriff der Gesundheitsbildung, wie er in der westlichen Anschauung interpretiert wird, ausreichend definieren zu können, muss erstmal eine Abgrenzung zum Begriff der Gesundheitserziehung deutlich gemacht werden.
Fritjof Capra: Wendezeit/Bausteine für ein neues Selbstbild Knaur 1988 S.340.402